Letztes Update: 11. November 2021
Wegen Anleger-Rebellion: Ölriese ExxonMobil denkt um
NZZ Akzente, 01.06.2021
Bei Big Oil stehen die Zeichen auf Sturm
NZZ, 27.05.2021
Klimaaktivisten drängen Ölkonzerne in die Ecke
Tagesanzeiger, 27.05.2021
ExxonMobil
ExxonMobil war einmal ein stolzer US-amerikanischer Mineralölkonzern. Bis 2009 gehörte ExxonMobil, gemessen am Börsenwert, noch regelmässig zu den weltweit wertvollsten Firmen, war also im MSCI World ganz oben vertreten. ExxonMobil wollte weiterhin im grossen Stil in die Gewinnung von fossilen Energieträgern investieren. Das passt nicht so ganz zum Bericht der Internationalen Energieagentur, laut dem die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in den nächsten Jahren drastisch zurückgehen werde.
Seit einigen Jahren sank der Börsenwert von ExxonMobil kontinuierlich. Das war bei der Konkurrenz ebenfalls so, aber bei ExxonMobil besonders stark. Kleine Klammer: Die Kurse von Energieaktien sind in den letzten Monaten durch die steigenden Energiepreise kräftig gestiegen.
Reenergize Exxon
Der kleine Hedgefonds Engine No.1, der nur 0.02 Prozent der Aktien von ExxonMobil besitzt, schaffte es Ende Mai 2021 mit der Hilfe von grossen Pensionsfonds und den Vermögensverwaltern BlackRock, Vanguard und State Street, dass drei von Engine No.1 vorgeschlagenen KandidatInnen ins zwölfköpfige Vorstandsgremium von ExxonMobil gewählt wurden.
Laut Engine No.1 habe der bisherige Vorstand von ExxonMobil seit Jahren die Dividende durch verschwenderische Ausgaben und fehlerhafte Kapitalallokationsstrategien gefährdet. Darüber hinaus fehle ExxonMobil ein Plan zur Schaffung von Shareholder-Value in einer Welt, die eine Dekarbonisierung anstrebt. Engine No.1 will mit den eigenen Kandidaten die Energiewende des Konzerns beschleunigen und damit die Profitabilität von ExxonMobil langfristig sichern. Mit diesen Argumenten schaffte es Engine No.1, die anderen AktionärInnen von ihren KandidatInnen zu überzeugen. Details zur Kampagne „Reenergize Exxon“ von Engine No.1 findest du hier.
Stimmrecht
Bevor wir uns Engine No.1 etwas genauer anschauen, machen wir zuerst einen Schritt zurück: Kaufst du eine Aktie, dann kaufst du damit einen Anteil an einem Unternehmen – du wirst MiteigentümerIn an einer Aktiengesellschaft. An der jährlich stattfindenden ordentlichen Hauptversammlung hast du mit deiner Aktie ein Stimmrecht. Übrigens gibt es verschiedene Aktienarten. Damit du ein Stimmrecht hast, musst du eine Stammaktie besitzen. Besitzt du zwei Aktien, hast du zwei Stimmen usw.
Kaufst du einen Fonds oder einen ETF, enthält dieser ja verschiedene Aktien. Das Stimmrecht der darin enthaltenen Aktien geht nun an die Fondsgesellschaft. Im ausführlichen Verkaufsprospekt von Swisscanto steht folgendes:
Bei Aktien, die in bekannten Indizes enthalten sind, könnten ETF-Anbieter mehrere Prozente der Stimmen ausmachen. Wie die ETF-Anbieter abstimmen, kannst du meistens transparent nachlesen.
Bei Vanguard kannst du zum Beispiel in den „Proxy Voting Records“ nachsehen, wie Vanguard abgestimmt hat. Das ist alles aufwändig und eher für Nerds. Für die legendäre Abstimmung bei ExxonMobil habe ich die Mühen auf mich genommen:
Vanguard hat übrigens nur für zwei der von Engine No.1 vorgeschlagenen Kandidaten gestimmt. Bei den restlichen hat sich Vanguard enthalten. Was ich damit sagen will: Bisher hat das kaum jemanden interessiert, wie die ETF-Anbieter abgestimmt haben.
Der Konkurrent iShares nimmt pro Jahr bei über 15’000 Aktionärsversammlungen das Stimmrecht wahr und stimmt über 130’000 Beschlussvorlagen ab.
Um dieses Volumen an Aktionärsversammlungen bewältigen zu können, greifen einige Vermögensverwalter auf Proxy Advisors zurück. Sogenannte Stimmrechtsberater beobachten die Aktiengesellschaften, beurteilen die Geschäftsführung und geben Empfehlungen zu Abstimmungen ab.
Der Hedgefonds Engine No.1
Engine No.1 ist ein amerikanischer Impact Investing Hedgefonds, der erst Ende 2020 von Christopher James gegründet wurde. Dieser steuerte zur Gründung kurzerhand fast USD 250 Millionen aus der eigenen Tasche bei. Seiner Meinung nach kann der Kapitalismus für positive Veränderungen genutzt werden. So kommt Christopher James nicht aus der Ökoaktivisten-Ecke, sondern aus der Finanzbranche.
Als Erstes äusserte Engine No.1 Kritik an den bisherigen nachhaltigen Anlagestrategien. Die finanziellen Erträge der meisten ESG-Fonds seien durchwachsen und sie hätten so gut wie keinen Impact gehabt. Ausschlüsse von kontroversen Firmen würden nur die AnlegerInnen ruhig schlafen lassen, aber damit würde keine Wirkung erzielt.
ESG-Ratings seien nicht standardisiert, die Ratings der verschiedenen ESG-Datenanbieter seien nicht deckungsgleich und die ESG-Ratings seien von anderen finanziellen und operativen Kennzahlen der untersuchten Unternehmen völlig losgelöst.
Was es stattdessen brauche, sei ein radikal neuer forschungsbasierter Ansatz, der objektiv, nachvollziehbar und überprüfbar sei. Investoren könnten nur dann eine nachhaltige Veränderung bewirken, wenn sie als aktive Eigentümer aufträten.
Als Nächstes hat sich Engine No.1 den Automobilsektor vorgenommen und Aktien des US-amerikanischen Automobilkonzerns General Motors (GM) gekauft. Engine No.1 will GM auf dem Weg zu batterieelektrischen Fahrzeugen begleiten.
Der ETF VOTE
Am 23. Juni launchte Engine No.1 einen ETF mit dem Symbol VOTE mit USD 100 Millionen an Vermögenswerten von institutionellen Anlegern.
Viele nachhaltige Fonds und ETFs schliessen Firmen, die in gewissen als nicht nachhaltig angesehenen Branchen tätig sind, aus. Oder sie gewichten Unternehmen, die ein hohes ESG-Rating aufweisen, höher. Nicht so VOTE. Anstatt Unternehmen auszuschliessen, die sich ändern müssen, will VOTE diese durch aktive Eigentümerschaft ändern. Denn man könne kein Problem lösen, indem man vor ihm wegrenne.
We launched the Engine No. 1 Transform 500 ETF to harness the power of investors — the power to create good jobs, reverse climate change, fight gender and racial injustice, and build an economy that is sustainable, inclusive, and prosperous.
Der ETF von Engine No.1 folgt dem nach Marktkapitalisierung gewichteten „Morningstar US Large Cap Select Index“. Darin sind die 500 grössten US-amerikanischen Firmen enthalten. Grösste Position ist momentan Microsoft mit 5.79% gefolgt von Apple mit 5.76%. Der Index ist fast deckungsgleich mit dem bekannten S&P 500 Index.
Der ETF ermöglicht somit eine Rendite, die sehr nah an der Marktrendite ist. Aufgrund seiner geringen Kosten von nur 0.05% eignet er sich als Core-Investment und soll eine breite Käuferschicht ansprechen. Und mit dem aktivistischen Ansatz von Engine No.1 sei er ein nachhaltiges Investment.
Engine No.1 will sich auf zwei bis vier Umwelt- und Sozialthemen pro Jahr konzentrieren, je nachdem, wo sie die größten Möglichkeiten sehen, Veränderungen voranzutreiben. Das Augenmerk läge nicht nur auf ideologischen, sondern auch auf wirtschaftlichen Veränderungen.
Demnächst soll der „Engine No.1 Transform Climate ETF“ gelauncht werden. Weitere Details dazu sind momentan noch nicht zu finden.
Schlussbemerkungen
Dass Fondsgesellschaften abstimmen, ist nichts Neues. Engine No.1 hat es sich einfach amerikanisch gross und medienwirksam auf die Fahnen geschrieben. Die Methode ist so einfach, dass Nachahmer wohl nicht lange auf sich warten lassen.
Werden wir ETFs in Zukunft nicht nur nach Kosten, sondern nach dem Abstimmungsverhalten auswählen? Was hältst du von diesem nachhaltigen ETF und dem aktivistischen Ansatz? Schreibe deine Meinung in die Kommentare.
Wie immer ist dies keine Anlageberatung und keine Empfehlung zum Kauf des ETFs oder ein Aufruf zu sonstigen Transaktionen.
FAQ zum ETF VOTE
Bei einem Broker, der dir Zugang zum US-amerikanischen Aktienmarkt bietet. Zum Beispiel ist er bei Swissquote handelbar.
509
Die TER beträgt 0.05%.
Ja, die Dividende wird quartalsweise ausgeschüttet.
Um bei Schweizer Firmen an der Hauptversammlung abstimmen zu können (vor Ort, brieflich, per Internet), musst du dich ins Aktienregister eintragen lassen. Nicht jeder Broker bietet die Eintragung ins Aktienregister an und bei einigen kostet jede Eintragung zusätzlich.
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