Finanzplanung: Orientierung statt Moneypulierung

Letztes Update: 25. März 2023

Das Fachbuch „Orientierung statt Moneypulierung“* von Pascal Bechtiger und Reto Spring ist Anfang 2022 im Verlag SKV erschienen und beleuchtet die holistische Finanzplanung aus wissenschaftlicher Sicht, liefert aber auch praktische Inputs für die Umsetzung.

Autoren

Orientierung statt Moneypulierung

Pascal Bechtiger ist Dozent für Banking und Finance am Institut für Unternehmensführung an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Dort lehrt und forscht er im Bereich der privaten Finanzplanung.
Reto Spring ist dipl. Finanzplanungsexperte NDS HF und CFP® (Certified Financial Planner). Er ist seit zehn Jahren Präsident des FinanzPlaner Verbandes Schweiz und Dozent an diversen Bildungsinstitutionen. Beide Autoren weisen also langjährige praktische Erfahrungen im Finanzplanungsbereich auf.

Vorneweg, dich erwartet keine Zahlenschlacht und das Buch kommt ganz ohne komplizierte Rechnereien aus. Grafiken und Tabellen sowie Praxisbeispiele lockern das Geschriebene auf. Am Ende jedes Kapitels werden die Take-aways kurz und verständlich zusammengefasst. Das Buch „Orientierung statt Moneypulierung“ ist also durchaus für interessierte Privatanlegerinnen geeignet.

Finanzplanung: Wieso?

Im ersten Teil geht es darum, wozu eine Finanzplanung überhaupt gut ist. Die Autoren zeichnen einen idealen Finanzcoach, der Kunden befähigt, Entscheidungen zum eigenen Vorteil zu treffen und sie von emotionalen Kurschluss-Entscheidungen abhält. Der es schafft, Komplexes einfach darzustellen und in verständlicher Sprache zu erläutern. Er kann zwar mehrseitige Analysen mit bunten Zahlenreihen erstellen, aber weiss, dass diese oft einfach im Ordner landen. Darum führt er ein Controlling durch und begleitet seine KundInnen bei der Umsetzung.

Ausserdem werden die Herausforderungen, vor der die erste und zweite Säule stehen, erläutert und die Wichtigkeit der eigenverantwortlichen Altersvorsorge herausgearbeitet. Die Autoren sparen nicht mit klaren Worten und mischen stets eine Prise Humor bei, wie folgende Passage zeigt:

„Das Vorsorgesystem der Schweiz gleicht dem alten Haus von Rocky Docky: Es ist halb verfallen, und es knarrt und stöhnt und weint. Und: Es ist über weite Strecken noch auf dem Stand seiner Einführung (AHV 1947 und BVG 1985). Kein Wunder, dass es zittert, kein Wunder, dass es bebt. Klar, Reformen schmerzen. Aber nur, weil sie schmerzen, heisst das nicht, dass sie nicht vonnöten sind.“

Für „selbsternannte Finanzblogger, Anlage-Gurus und Wirtschafts-Astrologen“ haben die Autoren nicht viel übrig und machen an mehreren Stellen auch keinen Hehl daraus. Die Kritik ist jedoch zu allgemein gehalten und wenig differenziert. Ja, Finanzblogger sind nicht kontrolliert und weder reguliert noch zertifiziert, aber KonsumentInnen, die sich im Internet bewegen, brauchen schon ein gewisses kritisches Urteilsvermögen. Das ist nicht nur beim Thema Finanzen der Fall. Und wer niederschwellig den Einstieg in Finanzthemen findet, findet in Zukunft bei komplexeren Themen wohl schneller den Weg zu einem Finanzplaner.

Finanzplanung: Konzept

Im zweiten Teil geht es darum, dass es weder in der Theorie noch in der Praxis ein einheitliches Verständnis dafür gibt, was Finanzplanung eigentlich ist. Die Autoren definieren Finanzplanung als eine Netzwerkdisziplin, die den Blick fürs grosse Ganze behält. Und dies macht die Finanzplanung – auch für mich – so spannend. Bei Detailfragen verweist ein verantwortungsvoller Finanzplaner an Fachexperten. Den KundInnen soll finanzwirtschaftliches Wissen vermittelt werden, sodass der Branche ein Shift vom Verdienen hin zum Dienen gelingt.

Bechtiger und Spring definieren Finanzplanung als Risikomanagementprozess und positionieren Risiko als zentrales Element des Finanzplanungsprozesses. In die Ausführungen fliessen auch Erkenntnisse aus der Behavioral Finance.

Des Weiteren wird auf die relativ neuen regulatorischen Grundlagen wie das Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG, welches mit Informationspflichten sowie Angemessenheits- oder Eignungsprüfungen verstärkt den Kundenschutz in den Fokus rückt, eingegangen.

Finanzplanung: Prozess

Der dritte und grösste Teil widmet sich dem systematischen und kontinuierlichen Chancen- und Risikomanagementprozess. Die drei Dimensionen Bedürfnis, Risiko und Verhalten spielen dabei eine wichtige Rolle. Diese Mehrdimensionalität unterscheide eine umfassende Beratung von einer Beratung, bei der nur ein Produktverkauf im Vordergrund stünde.

Risiken seien früh zu identifizieren, zu bewerten und zu steuern. Auch hier werden immer wieder Praxisbeispiele aufgeführt. Exemplarisch werden etwa die finanziellen Folgen einer Scheidung aufgezeigt. Und nicht zuletzt sei es wichtig zu evaluieren, wie viel Risiko überhaupt nötig wäre, um ein Sparziel zu erreichen.

Ausserdem machen die beiden Autoren darauf aufmerksam, dass es nicht die eine richtige Finanzplanung, sondern nur mehr oder weniger plausible Finanzplanungen gäbe. Deswegen sei es auch so wichtig, mit verschiedenen Szenarien, Varianten und Alternativen zu arbeiten.

Finanzplanung: Zukunft

Im letzten Teil widmet sich das Autorenduo Zukunftsthemen. Es werden nachhaltige Lebensentwürfe, die kundengerechte Kommunikation sowie die Standardisierung und Digitalisierung der Finanzplanung besprochen.

Zum Aufbau einer vertrauensvollen, beratungsorientierten Kundenbeziehung brauche es unter anderem einen gewissen Grad an Seniorität. Dem stimme ich nur bedingt zu. Stehe ich kurz vor der Pensionierung und ich suche beispielsweise eine Nachfolgelösung für mein Unternehmen, dann möchte ich das wahrscheinlich mit einer Person besprechen, die meine Lebenserfahrung in gewissen Massen teilt und ja, nicht unbedingt mit dem 22-jährigen Lehrabgänger.

Aber genau so verhält es sich, wenn ich Anfang dreissig bin und eine Finanzberatung aufsuche. Auch da wünsche ich mir einen Finanzberater, der meine Lebensrealität kennt, und das ist dann vielleicht nicht der Berater, der selbst kurz vor der Pensionierung steht.

Wie der Leuchtturm auf dem Titelbild und den Bildern zu Beginn jedes Kapitels soll Finanzplanung vor allem Orientierung und Sicherheit vermitteln.


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2 comments
  1. Spannend, danke für den Beitrag Reto!
    Würdest du es einem Privatanleger als Praxishandbuch ans Herz legen?

    Die Suche nach einem guten Buch für eine gelungene Finanzplanung ist nicht ganz einfach. Falls du weitere Tipps hast, würde ich mich freuen 🙂
    Liebe Grüss
    Eric

    1. Eher nicht. Das Buch wendet sich schon stark an Menschen, die andere in Finanzthemen beraten. Ist also ein Praxishandbuch für alle Finanzberater, Finanzcoaches und Finanzplaner. Für interessierte Privatanleger ist es zwar durchaus interessant, aber es ist jetzt kein Leitfaden für Privatanleger um ihre Finanzen zu planen.

      Für Privatanleger finde ich “Was Sie über Geldanlage wissen sollten – Ein Wegweiser der «Neuen Zürcher Zeitung» für Privatanleger” von Michael Ferber geeigneter.

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