Letztes Update: 21. Februar 2022
Die kürzlich gelaunchte Banking-App Yuh von Swissquote und PostFinance bietet „Trendthemen“ und „Anlagethemen“ an. Gräbt man etwas tiefer, tauchen bei diesen Produkten die Bezeichnungen „Tracker Zertifikat“ beziehungsweise „Strukturiertes Produkt“ auf. Doch was sind Strukturierte Produkte und wie unterschieden sie sich von ETFs?
Strukturierte Produkte, auch „Strukis“ genannt, sind etwas recht Schweizerisches. So ist die Schweiz der weltweit grösste Markt für Strukturierte Produkte und dies mit Abstand, wie du auf der Grafik unten sehen kannst.
Strukturierte Produkte
Ein Strukturiertes Produkt ist ein Anlageinstrument, welches von einem Emittenten (Herausgeber) angeboten wird und dessen Entwicklung von einem oder mehreren Basiswerten abhängt. Ein Basiswert kann zum Beispiel eine Aktie, ein Rohstoff wie Gold oder eine Währung sein.
Strukturierte Produkte sind Schuldverschreibungen und bergen ein Gegenparteirisiko. Das bedeutet: Geht der Emittent in Konkurs, kann es zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals kommen.
Die Swiss Structured Products Association (SSPA) teilt Strukturierte Produkte in folgende Kategorien ein:
Anlageprodukte
- Kapitalschutz
- Renditeoptimierung
- Partizipation
- mit zusätzlichem Kreditrisiko
Hebelprodukte
- Hebel
Wer Werbematerialien von Strukturierten Produkten liest, könnte meinen, es handle sich dabei um eine eierlegende Wollmilchsau. Man könne damit nicht nur in steigenden Märkten gute Renditen erwirtschaften, sondern auch in sinkenden oder sich seitwärts bewegenden Märkten. So benutzt die Swiss Structured Products Association auf ihrer Website die Adjektive „innovativ“ und „flexibel“ inflationär.
Strukturierte Produkte werden insbesondere dann eingesetzt, wenn man eine Marktmeinung beziehungsweise ein Markterwartung hat. Also wenn man glaubt, dass ein Sektor in den nächsten Wochen stark steigen wird oder der Gesamtmarkt bald fallen wird. Vorneweg: Von solchem Markttiming und Wetten halte ich nichts.
Tracker Zertifikat
Schauen wir uns das Ganze praktischer an, und zwar anhand der einfachsten Kategorie, der Partizipation. Innerhalb dieser Kategorie gibt es die Produktgruppe „Tracker Zertifikate“. Als konkretes Tracker Zertifikat, welches bei Yuh handelbar ist, nehmen wir das Trendthema „Grüner Wasserstoff“.
Das Basisinformationsblatt klingt dann etwas weniger blumig:
Wie ein ETF hat das Tracker Zertifikat eine ISIN (CH0513599479) und wird seit dem 28. Februar 2020 an der Schweizer Börse SIX gehandelt. Die Laufzeit ist „Open End“, es gibt also kein festgelegtes Verfallsdatum. An der SIX wird das Zertifikat am Sekundärmarkt gehandelt und dementsprechend gibt es dort eine Geld-Brief-Spanne (Differenz zwischen dem Ankaufs- und dem Verkaufskurs).
Ähnlich wie bei einem ETF liegt diesem Finanzprodukt ein Index zugrunde, ein Korb voller Aktien. Steigt dieser Index zum Beispiel um 1%, steigt auch das Tracker Zertifikat um 1%.
Emittent
Herausgegeben wird das Tracker Zertifikat von Leonteq Securities AG. Leonteq ist ein Schweizer Finanzunternehmen, welches auf Strukturierte Anlageprodukte spezialisiert ist. Grösster Aktionär von Leonteq ist die Genossenschaftsbank Raiffeisen.
Als Unterschied zu einem physischen ETF muss der Emittent die im Strukturierten Produkt enthaltenen Aktien nicht kaufen. Er kann mit dem Geld, welches er durch die Herausgabe des Produkts erhält, salopp gesagt, machen, was er will. Rechtlich gesehen sind Strukis Schuldverschreibungen. Hier kommt nun das Gegenparteirisiko zum Tragen: Wenn der Emittent in Konkurs geht, dann sind eben keine Aktien hinterlegt. Unter Umständen ist dein gesamtes Geld dann weg. So steht im Basisinformationsblatt („KID“): „Das Produkt unterliegt als Schuldverschreibung keiner Einlagensicherung.“
Um dieses Risiko besser abschätzbar zu machen, lassen sich die Emittenten mit einem Rating versehen. Die Ratingagentur Fitch hat die Leonteq Securities AG mit einem BBB- geratet. Dies entspricht einer durchschnittlich guten Anlage. Eine Stufe weiter unten würde es sich bereits um eine spekulative Anlage handeln.
Willst du mehr zum Thema Gegenparteirisiko lesen, dann googel einmal „Lehman Brothers“.
Die Aktien bei einem physisch replizierenden ETF hingegen gelten nicht als Schuldverschreibung, sondern als Sondervermögen. Geht der ETF-Anbieter in Konkurs, dann können entweder diese Aktien verkauft werden und die KundInnen werden ausbezahlt oder ein anderer Anbieter führt den ETF weiter.
Index
Beim Trendthema „Grüner Wasserstoff“ liegt der aktiv verwaltete „Swissquote Hydrogen Index“ zugrunde. Die Swissquote Bank SA ist dabei der Index Sponsor und stellt den Index zusammen. Dazu gibt es auf der Website von Leonteq ein „Rule Book“. Dort steht dann zum Beispiel drin, dass die im Index enthaltenen Aktien eine Mindestmarktkapitalisierung von USD 100 Mio. aufweisen müssen oder dass der Index maximal 50 Komponenten enthalten darf.
Der Index umfasst derzeit 22 Aktien. Grösste Positionen sind momentan „Doosan Fuel Cell“ mit einem Anteil von 9%, gefolgt von „Toyota Motor“ (7%) und „Alstom“ (5.8%).
Bei einem bekannten Index, wie zum Beispiel dem MSCI World, auf den es mehrere ETFs von unterschiedlichen Anbietern gibt, kannst du die Performance der ETFs direkt vergleichen. Das macht das Produkt sehr transparent. Bei selbsterstellten Indizes ist dies leider nicht der Fall.
Kosten
Neben den Kaufkosten, die bei Yuh 0.5% betragen, den Kosten für den Währungswechsel (0.95%; das Zertifikat wird in USD gehandelt) und der Geld-Brief-Spanne, kommen wie bei einem ETF laufende Kosten hinzu.
Die Verwaltungsgebühr beträgt bei diesem Produkt 0.8%. Wobei diese aufgeteilt wird und der Indexsponsor (Swissquote) 0.5% und die Berechnungsstelle (Calculation Agent, in diesem Fall: Leonteq Securities AG) 0.3% erhalten. Die Verwaltungsgebühr wird vierteljährlich an den Beobachtungstagen abgezogen.
Ausserdem wird für jede im Index vorgenommene Anpassung eine Gebühr erhoben. Diese Transaktionsgebühr stellt einen Prozentsatz des fiktiven Volumens der hypothetischen Transaktionen der Komponenten dar und beträgt 0.1%. Anders ausgedrückt: Je mehr der Indexherausgeber (Swissquote) umschichtet und neue Aktien im Index aufnimmt oder ausschliesst, desto besser verdient die Berechnungsstelle (Leonteq). Das Rule Book begrenzt das Rebalancing immerhin auf 100 Transaktionen.
Fazit
Dir ist das alles zu kompliziert? Willkommen im Club! Aber es geht noch viel besser: Denn tauchst du tiefer in Strukis ein, findest du abenteuerliche Begriffskontruktionen, die beim Scrabble entstanden sein könnten und hübsche Grafiken, die an den Geometrieunterricht erinnern:
Knock-Out Warrants
Softcallable Barrier Reverse Convertible
Kapitalschutzprodukt mit Partizipation am worst of
Autocallable Multi Reverse Convertible mit bedingtem Memory Coupon
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Braucht man als Privatanleger so etwas? Nein.
Ich will mein Geld nicht in einen „hypothetischen Index“ eines „nicht einfachen“ Produkts investieren. Ich will mein Geld nicht in ein Finanzprodukt stecken, bei dem ich vorher seitenlange Beipackzettel mit Nebenwirkungen lesen muss. Und ich will mein Geld nicht in ein Finanzprodukt stecken, bei dem ein Gegenparteirisiko besteht.
Wie immer bei der Geldanlage gilt auch hier: Investiere nur in Dinge, die du verstehst.
Und falls du doch in Strukturierte Produkte investieren willst, dann kann es nicht schaden, wenn du vor dem Kauf die Checkliste der Swiss Structured Products Association (SSPA) durchgehst:
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